Erstmals in einer Veranstaltung für historische Automobile in Deutschland waren die Classic Days am Samstag, den 5. August und Sonntag, den 6. August auch die Plattform für einen ausführlichen Talk der Fachleute über E-Fuels vor Publikum.
Einsatzmöglichkeiten und Chancen von E-Fuel beleuchtet
Im Courtyard der Classic Days, einem Bereich mit Stretchdach unter Bäumen im Green Park, war ein vielfältig zusammengestelltes und sehr kompetentes Podium zum „Talken“ zusammen gekommen. Reihum wurde u.a. der aktuelle Status der Fuel-Produktion erläutert, die Anwendungsbeispiele im aktuellen Motorsport, im historischen Motorsport und Veranstaltungen wie der Mille Miglia oder Le Mans Classic. Die Einsatzmöglichkeiten und Chancen wurden beleuchtet und ein Ausblick in aktuelle Produktionsstandorte, Forschungs-Cluster und Forschungs-Initiativen, die Arbeit der verschiedenen Hochschulen und die Skalierbarkeit in der Produktion gegeben. Frage & Antwort-Teile rundeten den Talk und die Diskussion in einem kompetenten Austausch ab.
Den Anfang im Talk machte - nach kurzer Einführung durch Marcus Herfort von den veranstaltenden Classic Days - zum Auftakt Björn Noack – Project Director – Sustainable Mobility Strategy bei Bosch. Er erläuterte die Grundlagen der E-Fuels, beschrieb kurz und verständlich den Herstellungsablauf, die Effizienz von synthetischen Kraftstoffen, deren Energiebilanz und Wirkungsgrad und wie im Hause Bosch die Forschung und Produktionen zu E-Fuels unterstützt und begleitet und die Anwendungen verprobt werden.
Hier waren das Thema „Freigaben“ für Bosch-Bauteile wie Einspritzpumpen, Filter, Kraftstoff-Pumpen aber auch die Motorenforschung - und Motorsport-Begleitung sehr wichtige und extrem spannende Aspekte für die Zuhörer. Gemessen an der Anzahl schnell zu produzierender und vor allen Dingen in den Markt zu bringender PKW mit vollelektrischem Antrieb und der Messlatte für eine schnelle Umstellung und Energiewende in der Mobilität werden die Ziele in großen Millionenzahlen zuzulassender und verfügbarer E-Autos nicht realistisch erreichbar sein. Die Mobilitätswende wird damit allein nicht erreicht werden können. Verkaufszahlen der vollektrischen Fahrzeuge werden nicht zu steigern sein und deren Zulassungszahlen werden nicht den erwarteten Einfluss auf Emissionsminderungen haben. Der Anteil im Gesamtbild ist immer noch zu gering. Der Mix an Technologien und Technologie-Offenheit bringt hier eine schnelle Entwicklungen. E-Fuels können für die Bestands-PKWS – aber auch für zukünftig gebaute Verbrenner-Motoren sofort eine Alternative in CO2-neutraler Nutzung sein. Bis 2030 und 2035 werden die PKW-Flotten in Deutschland nicht komplett auf E-Mobilität umstellbar sein. Dies zeigen aktuelle Zulassungs- und Produktionszahlen.
Professor Mario Theissen – Senior Vice President des Oldtimer-Weltverbands FIVA und ADAC Klassik Referent – schilderte die Sichtweise eine schnelle Nutzung von E-Fuels auch in der technisch möglichen Beimischung jetzt sofort schon zu realisieren. Jedes Prozent Einsparung bei der CO2-Emission zählt und kann somit sofort erreicht werden. E-Fuels, die später zu 100% als synthetische und klimaneutrale Kraftstoffe eingesetzt werden, sind dann, wenn z.B. flächendeckend verfügbar, die Ideallösung.
Ein sofortige Einsatz in einer Beimischung („blending“) sorgt mit jedem beigemischten Prozent schon für erste prozentuale Schritte einer CO2-Reduktion und das ab sofort – wobei natürlich mittelfristig das Idealziel 100% klimaneutraler/CO2 -neutraler Kraftstoff sein kann.
Matthias Braun, der für den Classic- Days-Partner und den Gastgeber des Fuel-Talks „aramco“ im Talk Panel saß, erläuterte die aktuelle Situation der echten Herstellungskosten, nannte den möglichen Marktpreis, beleuchtete die überfällige Sichtweise, die die Politik und Steuergesetzgebung eigentlich mit Signalwirkung auf die E-Fuels haben müssten: Denn ein E-Fuel kann nicht mit einer zusätzlichen sonst üblichen Mineralölsteuer belegt werden, denn es wird nicht aus Mineralöl hergestellt. So wie vollelektrische Fahrzeuge eine 10-Jahre-Steuerbefreiung genießen, müßte es auch steuerliche Vorteile für den Einsatz von E-Fuels geben – diese fehlen aber (noch). Warum?
CO2 aus der Luft, Sonnen- oder Windenergie, Wasserstoff sind die „Zutaten“ für E-Fuels – das sonst meist schädliche CO2 kann dabei aus der Luft gebunden, der Wasserstoff sogar als reicher Energiespeicher genutzt werden. Ein E-Fuel-betriebenes Fahrzeug stößt maximal nur die Menge CO2 in die Luft wieder aus, die man vorher für die E-Fuel-Herstellung aus der Luft binden konnte. Zu Skalierungen wurde eindrucksvoll ausgeführt, daß mit entsprechenden Milliarden-Investitionen die Herstellung von E-Fuels in Industriemaßstäben sogar ohne weiteres kurzfristig machbar wäre. Zum Beispiel ist das Unternehmen aramco dabei genau hier in großem Umfang zu investieren und hat auch die wirtschaftliche Kraft dazu.
Im spanischen Bilbao errichtet aramco zusammen mit Repsol eine Produktionsstätte, die ab 2024 mit einem 10 Megawatt leistenden Elektrolyseur mit grünem Wasserstoff nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren arbeiten wird.
Die Verbrenner-Technologie sollte grundsätzlich nicht diskreditiert und eingestellt werden, sie sollte zukünftig sauberer betrieben werden können – z.B. durch E-Fuels. Auf dem Weg zu den Klimazielen 2030 und 2035 werden Verbrenner eine wichtige Rolle spielen, stellen eine Schlüsselindustrie für den Standort Deutschland dar und können durch Innovationen und Weiterentwicklungen im Bereich der E-Fuels eine saubere Technologie der Zukunft darstellen.
Die Runde begrüßte daher, daß das in der EU für 2035 ursprünglich vorgesehene Verbrenner-Aus durch die Bundesregierung und den Einsatz des Bundesverkehrsministerium in einer Kompromisslösung mit den anderen EU-Staaten umgewandelt wurde: Verbrennerfahrzeuge dürfen auch nach 2035 betrieben und auch neu gebaut und zugelassen werden, wenn deren Betrieb mit synthetischen Kraftstoffe, nachhaltigen E-Fuels geschieht. Bestandsflotten und neue Verbrenner-Fahrzeuge können dann weiter betrieben werden mit E-Fuels - weil diese klimaneutral sind.
Deutschland sollte sich von einer Kern-Industrie wie dem Automobilbau und der Zulieferindustrie nicht trennen oder diese gar einstellen. Und auch hier kam man wieder auf das Thema „Technologie-Mix“ als sinnvoller Betrachtung zu sprechen. In der Vielfalt der Entwicklungen werden die Lösungen liegen. Die Runde sieht übereinstimmend E-Mobilität als sinnvolle Entwicklung, Erweiterung und Ergänzung in Anwendungen, die in den Anwendungsbereichen sinnvoll sind – immer auch hier unter Betrachtung einer ehrlichen Klimabilanz. Wie grün ist der Strom für das vollelektrische KFZ, wie ist die energetische Betrachtung mit input und output in der Lebenszeit eines E-Autos inkl. Herstellungsprozess (inkl. Batterien und Recycling), Nutzung und Entsorgung.
Die Classic Days ergänzten hier, dass die Wartung und der Erhalt von Verbrennern in Summe eine viel bessere Energiebilanz aufweisen als Fahrzeuge mit Batteriebetrieb, deren Herstellung, Batterietausch, Entsorgung, Komponenten im Composit-Bereich mit Kunststoffen (wenn keine Bio-Composit-Komponenten).
Oldtimer- und Klassiker, die sicherlich in der Gesamtbetrachtung – auch bei vollständigem Betrieb aller Oldtimer mit E-Fuels – das Bild der gesamten Umweltbelastung mit CO2 nicht maßgeblich ändern, weil es doch in Summe zuwenige Fahrzeuge sind, sind aber wahrhaftig nachhaltige Fahrzeuge, weil sie über viele Jahrzehnte im Bestand sind und extrem gut gepflegt und erhalten werden.
Norbert Knerr – BMW Group Classic – Head of Classic Brand Management bei BMW – berichtete vom Einsatzgebiet und den Tests für E-Fuels bei der Marke BMW sowohl bei aktuellen als auch bei klassischen Fahrzeugen. Er gab den Zuhörern ein sehr gutes Bild von der Offenheit der Marke für Zukunftsentwicklungen und dem intensiven internen Austausch zwischen z.B. der Abteilung Motorenentwicklung und dem BMW-Classic-Bereich.
Im Hause BMW kümmert sich Nobert Knerr auch um alle Nachrichten und Einsätze rund um die E-Fuels und die Frage der Zulassung bzw. Einsatzfreigaben für klassische Baureihen und deren Motoren und Technik.
Sehr eng an der E-Fuel-Entwicklung arbeiten die Spezialisten bei BMW um intensiv E-Fuels zu testen und die Wirkungsweise und Auswirkungen auf Motoren zu monitoren. Ein enger Austausch findet zwischen den Abteilungen statt. BMW ist interessiert daran, die bestehenden und älteren Baureihen mit E-Fuels zu betreiben, Erfahrungen zu sammeln und im Austausch mit anderen Industrien und Zulieferern (wie z.B. auch Bosch) immer sehr nah am Thema alternative Kraftstoffe „dran zu sein.“
Als Journalist, Autor, Publizist und nicht zuletzt Begründer des legendären Jägermeister-Rennstalls – heute wieder aktiv als „72stagpower“ – ergänzte Eckhard Schimpf aus Braunschweig das Podium. Die Philosophie „Win on Sunday – Sell on Monday“ bedeutete immer schon, dass gerade im Rennsport neue Technologien verprobt und getestet wurden, damit sie in der Fahrzeugproduktion für Alltagsfahrzeuge neue Anwendungen einsetzbar machten.
Wenn heute in vielen Veranstaltungen und Rennen – und ab 2025 spätestens wohl auch in der Formel 1 – klimaneutrale nachhaltige Kraftstoffe zum Einsatz kommen, dann sichert dies nicht nur die CO2-neutrale Durchführbarkeit der Motorsportevents sondern zeigt auch unter höchster Motorenbelastung, wie stabil, leistungsfähig und einsatzbar die E-Fuels sind.
Die deutsche Automobilindustrie baut vollelektrische Fahrzeuge, zeigt Zukunftswege auf, baut und verkauft aber immer noch deutschland-, europa-, und weltweit die weitaus größere Anzahl Verbrenner-PKW. Diese Neufahrzeug-Flotten aber auch die hunderte Millionen Bestands-PKW klimaneutral umzustellen bedeutet den größten Hebel für die Emissionen.
Man wünscht sich, dass die Politik mit gleicher Intensität, wie an einer Energiewende gearbeitet wird, auch im Bereich der breiten Popularisierung von E-Fuels und dem Wissen über die Perspektiven und Chancen synthetischer, klimaneutraler Kraftstoffe tätig würde.
Michael Orth für die Motor Klassik und die Motorpresse Stuttgart brach in seinen Ausführungen verständlicherweise nicht nur für die Klassiker- und Youngtimer, deren Betrieb als Kulturgut, den Einsatz von E-Fuels als Chance auch in der Zukunft im Einsatz zu bleiben, eine Lanze, sondern er schilderte auch seine Erfahrung im Einsatz von E-Fuels bei Fahrzeugtests und Probefahrten. Eine Technologie wie die E-Fuels benötigen für den täglichen Einsatz kaum technische Umstellungen und Umbauten.
Das Prinzip ist einfach. Wenn der Wirkungsgrad der E-Fuels noch weiter optimiert wird, hätte die Technologie kaum noch Angriffspunkte. Wichtig, daß das „E“ in E-Fuels, welches für die „grüne Energie“ steht, auch am Anfang der Herstellung mit Sonnenenergie oder Windenergie den input liefert.
Klassiker sind natürlich in der Betrachtung im E-Fuels-Betrieb nur eine kleine Menge Fahrzeuge, aber sie werden von Enthusiasten, Meinungsbildnern, Museen, Sammlern und Clubmitgliedern bewegt – hier ist die Chance zur breiten Werbung für das Thema und zu einer sprichwörtlichen „Bewegung“ absolut gegeben. Wer Kulturgut bewegt, kann mit gutem Beispiel im Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe ein weiteres Zeichen setzen.
Die Zuhörer des Talks richteten an die Motorpresse noch die Bitte, ob nicht noch systematischer – vielleicht auch in einer Kolumne oder auf einer regelmäßigen Sonderseite – umfangreich zu E-Fuels aufgeklärt und berichtet werden könnte… so zum Beispiel in den Magazinen „Motor Klassik“ oder „Youngtimer“.
Im Frage- und Antwortteil nahm das Thema „wann wird man wo zu welchem Preis E-Fuels tanken können“ erwartungsgemäß einen großen Stellenwert ein.
Eine gewisse Ungeduld war spürbar, denn die Chancen einer „Future of Fuels“ waren klar verstanden und überzeugend.
Weitere Infos zum E-Fuels Talk