Stromlinie auf der Museums-Insel

Mercedes-Benz bringt zu den 10. Classic Days ans Schloss Dyck einen ganz besonderen Wagen mit: Der Mercedes-Benz 540 K Stromlinienwagen aus dem Jahr 1938 wird auf der Orangerie-Terrasse am Schloss zu sehen sein. Damit verrät der neue Bereich der „Museums-Insel“ bereits eines seiner ersten Geheimnisse – eines seiner ersten „Jewels in the Park“.

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 02Mercedes-Benz 540 K Stromlinienwagen

Die Jewels sind die besonderen Ausstellungsstücke im Sonderconcours „Automobile Kulturhistorie“ ...und sie werden im Park funkeln und strahlen und die große historische Orangerie-Halbinsel in den Tagen der Classic Days zu einer „Museums-Insel“ verwandeln.

 

Die Geschichte des Stromlinienwagen

Die 1920er- und 1930er-Jahre stehen bei Automobilen im Zeichen zunehmender Reisegeschwindigkeiten. Entsprechend werden die Schnell- und Fernstraßen ausgebaut, und auch Autobahnen entstehen. Die Fahrzeugindustrie nutzt den Fortschritt. Nicht allein über stärkere Motoren und überarbeitete Fahrwerke: So werden beispielsweise die Karosserien moderner.

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 03Und es fahren auch Stromlinienfahrzeuge in den Blick der Öffentlichkeit.

Mercedes-Benz konstruiert daher mehrere Fahrzeuge mit strömungsgünstiger Karosserie. Der 540 K Stromlinienwagen, 1938 fertiggestellt, markiert den einstweiligen Höhepunkt. Der 540 K ist das sportliche Spitzenmodell von Mercedes-Benz in den 1930er-Jahren. Die Abteilung „Sonderwagenbau“ im Werk Sindelfingen ermöglicht die individuelle Umsetzung von Karosseriebau jeder Form in die Realität.

Die Stilisten von Mercedes-Benz – der Begriff des Designers im heutigen Sinn existiert noch nicht – entwerfen in den Jahren 1937 und 1938 eine ganze Serie von strömungsgünstigen Karosserien für den 540 K und spiegeln in ihnen das Thema Aerodynamik unterschiedlich stark. Der 1938 fertiggestellte Stromlinienwagen ist nicht nur eine stilistische Meisterleistung, er zeigt auch die konsequenteste Umsetzung der aus den Windkanalversuchen gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Um noch höhere Dauergeschwindigkeiten als die sonst für einen 540 K genannten 140 bis 145 km/h zu erreichen, sind zahlreiche Detailmaßnahmen erforderlich. Mit die wichtigste betrifft die Aerodynamik: Ein 540 K in Serienausführung, karossiert als Coupé, kommt auf einen cW-Wert von 0,57 –. Der 540 K Stromlinienwagen soll noch strömungsgünstiger sein. Er erreicht den vorzüglichen Wert von cW = 0,36. Daraus resultieren eine mögliche Dauergeschwindigkeit von 165 bis 170 km/h und mit Kompressorunterstützung eine Spitzengeschwindigkeit von 185 km/h.

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 06Zur Karosserie im Detail: Die Windschutzscheiben sind seitlich gebogen. Die Dachlinie ist niedrig angesetzt, läuft nach hinten in der Mitte spitz aus und geht dort in die horizontale, weich abgerundete Heckpartie über. Die Scheinwerfer sind integriert. Überall, wo die Strömung abreißen könnte, haben die Gestalter die Details optimiert: Beispielsweise über versenkte Türgriffe, fehlende Stoßfänger oder geringe Spaltmaße. Der Unterboden ist vollständig abgedeckt, damit die Luftströmung auch dort geringstmöglich beeinträchtigt wird.

Wie ernst die Fahrzeugmacher ihre Aufgabe nahmen, zeigt der Mercedes-Stern: Er ragt nicht auf, sondern ist auflackiert – wie bei den Silberpfeilen, den berühmten Grand-Prix-Rennwagen. Und wie diese erhält der Stromlinien-540 K eine silberne Lackierung. Da wirkt es aus heutiger Sicht wie eine Ironie der Geschichte, dass sich unterhalb der Karosserie nach wie vor der hoch bauende, klassische Mercedes-Benz Spitzkühler befindet und so auch maßgeblich die Auslegung der Frontpartie beeinflusst.

Im Juni liefert die Daimler-Benz Niederlassung Frankfurt am Main dann diesen einmaligen Wagen an die Deutsche Dunlop Gummi Comp. AG in Hanau aus. Das Unternehmen setzt das Hochleistungsfahrzeug gezielt für Reifenversuche ein. Denn die immer höheren Geschwindigkeitsregionen, in denen Automobile unterwegs sind, erfordern neue Pneukonstruktionen und -materialien, um den starken Kräften standzuhalten. Diese müssen in der Praxis erprobt werden.

 

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 08Daten der Historie des Fahrzeugs

Dunlop bestellt laut Kommissionsbuch am 23. Dezember 1937 bei der Daimler-Benz Niederlassung in Frankfurt am Main einen 540 K, damals einer der schnellsten Personenwagen überhaupt. Mit Datum vom 8. Februar 1938 wird im Sonderwagenbau unter der Leitung von Hermann Ahrens eine Linienrisszeichnung erstellt, die genaue Fertigungsvorgabe für eine zuvor am Modell im Windkanal erprobte Karosserie. In der gleichen Zeit entsteht übrigens auf dem Zeichenbrett ein Entwurf mit einer nahezu identischen Linienführung, allerdings als Cabriolet B.

Der 540 K übersteht die Jahre 1939 bis 1945 unbeschadet. Nach Kriegsende nutzt ein Soldat der US Army das in den Garagen der Dunlopwerke untergestellte Auto, vermutlich setzt er es auch im Raum Stuttgart ein. Auch lässt er es mit einer den Armeefahrzeugen angepassten Lackierung versehen. Farbreste am originalen Chassis belegen dies. Der damalige Leiter der Dunlop-Niederlassung in Stuttgart, Herr Scheller, wird von einem Mitarbeiter auf das Erscheinen des Wagens aufmerksam gemacht. Vermutlich wird der Wagen an die deutschen Dunlop-Werke zurückgegeben, denn am 21. April 1948 wird er in Hanau bei der dort zuständigen Polizeidienststelle abgemeldet, wie der Vermerk im Fahrzeugbrief besagt: „Das Fahrzeug ist auf Grund des § 3 des Kraftfahrzeugmißbrauchsgesetzes vom 21. November 1947 als stillliegendes Fahrzeug gemeldet.“

 

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 05Der 540 K Stromlinienwagen und die Fernfahrt „Berlin–Rom“

Die Entwicklung des 540 K Stromlinienwagens geht 1937 ursprünglich von der Absicht aus, ein komfortables Hochleistungsfahrzeug für sehr hohe Dauergeschwindigkeiten bei der für den Spätsommer 1938 geplanten Fernfahrt Berlin–Rom einzusetzen. Im Laufe der Entwicklung kristallisiert sich heraus, dass bis zum geplanten Einsatztermin nicht für alle technischen Herausforderungen Lösungen erarbeitet werden können, die den hohen Ansprüchen der Mercedes-Benz Ingenieure genügen. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei beispielsweise die Reifenhaltbarkeit bei den angestrebten und fahrzeugseitig möglichen hohen Dauergeschwindigkeiten.

 

Mercedes Benz 540 K Stromlinienwagen 07Die Mercedes-Benz Entwickler ziehen daraus zwei Konsequenzen: Erstens sehen sie für die Fernfahrt Berlin–Rom eine andere bereits fertig entwickelte und erprobte Variante des 540 K vor. Der nunmehr geplante Einsatz eines Sport-Roadsters mit kurzem Radstand kommt allerdings nicht zum Tragen, da die Fernfahrt vom Veranstalter für 1938 abgesagt, auf 1939 verschoben wird und schließlich aufgrund der politischen Lage ausfällt. Zweitens stellen sie den Stromlinienwagen Mitte 1938 den Dunlop-Reifenwerken in Hanau zur Verfügung, die das Fahrzeug für Hochgeschwindigkeits-Reifenversuche einsetzt – also zur Erforschung genau der Sachverhalte, die letztlich zu der Entscheidung geführt hatten, das Fahrzeug nicht bei der Fernfahrt einzusetzen.

Dieser 540 K mit Stromlinienkarosserie stellt einen Meilenstein im Hinblick auf Formgestaltung und Effizienz sowie die Fahrsicherheit bei hohen Geschwindigkeiten dar.Die bis ins Detail durchdachte Konzeption und rundum perfekte Ausführung des Einzelstücks lassen vermuten, dass das Fahrzeug weder als reines Wettbewerbsfahrzeug noch als reines Versuchsfahrzeug gesehen werden kann. Es sollte sicherlich auch als Anschauungsbeispiel für das leistungsstarke Luxus-Automobil der Zukunft dienen.

Vom 31. Juli bis 2. August wird dieser pfeilschnelle Mercedes-Benz die Klassikerfreunde und Kenner am Schloss Dyck erfreuen und mitnehmen auf eine strömungsgünstige Zeitreise...

Wie immer – nun auch hier der Hinweis – Karten für die Classic Days gibt es – wie immer – am besten vorab im Vorverkauf hier im Ticketshop.

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